Die Hundert

Die Hundert gibt es doch.
Das Kind besteht aus Hundert.
Hat hundert Sprachen
hundert Hände
hundert Gedanken
hundert Weisen
zu denken, zu spielen und
zu sprechen.

Hundert —
Immer hundert Arten
zu hören, zu staunen und
zu lieben.
Hundert heitere Arten zu singen,
zu begreifen
hundert Welten zu entdecken hundert
Welten frei zu erfinden
hundert Welten zu träumen.

Das Kind hat hundert Sprachen
und hundert und hundert und hundert.
Neunundneunzig davon aber
werden ihm gestohlen
weil Schule und Kultur
ihm den Kopf vom Körper trennen.

Sie sagen ihm:
Ohne Hände zu denken
ohne Kopf zu schaffen
zuzuhören und nicht zu sprechen.
Ohne Heiterkeit zu verstehen,
zu lieben und zu staunen
nur an Ostern und Weihnachten.

Sie sagen ihm:
Die Welt zu entdecken,
die schon entdeckt ist.
Neunundneunzig
von hundert
werden ihm gestohlen.

Sie sagen ihm:
Spiel und Arbeit
Wirklichkeit und Phantasie
Wissenschaft und Imagination
Himmel und Erde
Vernunft und Traum
seien Dinge,
die nicht zusammen passen.

Sie sagen ihm kurz und bündig,
dass es keine Hundert gäbe.
Das Kind aber sagt:
Und ob es die Hundert gibt.

Loris Malaguzzi, Reggio Emilia 1985

 

Weitere Inforamtionen unter https://de.wikipedia.org/wiki/Loris_Malaguzzi

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